Die einfachste Art, die Welt zu verbessernWer einmal Vorschulkinder über längere Zeit beim Spielen beobachtet hat, wird nie mehr abstreiten wollen, dass Tanzen etwas zutiefst Menschliches sei. Schon Augustinus (354 ? 430) schrieb: «Ich lobe den Tanz, er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge, bindet den Vereinzelten zu Gemeinschaft.» Denn Tanz bedeutet Lebensfreude; und er ist am schönsten, wenn er aus uns selbst entsteht: Wenn wir vor Freude durchs Zimmer hüpfen, uns im Liebesreigen drehen, gemeinsam ein Fest feiern. Wenn die Gefühle so intensiv werden, dass wir sie unwillkürlich in Bewegung umsetzen.
In einer Zeit, da immer mehr Menschen sich immer häufiger hinter Bildschirme und Monitoren zurückziehen, wirken die Worte des vormittelalterlichen Bischofs moderner denn je. Ob man nur zuschaut oder selbst in Bewegung ist: Tanz ist immer und zuallererst Kommunikation. Ein mal sanftes, mal heftiges Zwiegespräch mit der Musik, mit Gefühlen, den Partnern und manchmal auch mit dem Publikum, dem man in der universellen Sprache der Körper eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte vielleicht,
die weniger aus Handlungen als aus Emotionen besteht, doch wer sich darauf einlässt, wird viel erfahren.
«Ich lobe den Tanz, der alles fordert und fördert, Gesundheit und klaren Geist und eine beschwingte Seele», sagte Augustinus weiter, und wer dürfte sich heute noch dieser Aussage verschliessen? Längst ist wissenschaftlich erwiesen, dass koordinierte Bewegungsabläufe auch ein koordiniertes Denken fördern und dass Tanzen nicht nur «die schönste Art, fit zu bleiben» ist, wie man mitunter lesen kann, sondern wohl auch die einfachste Art, die Welt zu verbessern: Wer Tanzvorstellungen besucht, lernt genau hinzusehen, zuzuhören und wie schön es sein kann, sich von den Gedanken und Gefühlen anderer Menschen einfangen zu lassen. Wer selber tanzt, lernt in sich hineinzuhören, auf seine Partner zu achten, oder, um es mit den Worten der B-Boyz zu sagen: «Respect» für sich selbst und die anderen.
Tanzen ist jene Sprache, die im Fremdsprachenunterricht zuerst drankommen sollte, auch weil ihrer Dialekte so viele sind: Ob Hip-Hop oder Capoeira, Contact-Impro oder Rock'n'Roll, man weiss meist recht schnell, was einem gefällt. Oder was man selbst gern können würde. Der berühmteste Satz des eingangs zitierten Augustinus lautet denn auch: «O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen.»
Und das wäre doch schade.
Nina Scheu, freie Kulturjournalistin |